Früher war alles besser. Produkte hielten lange, Markenprodukte ewig.
"Wer billig kauft, kauft zweimal",heißt es. Heute scheint mir:
"Wer teuer kauft, kauft dumm."
Ich beziehe mich auf Elektronik-Produkte. Mein Beispiel ist eine Funk-Wanduhr. Die Uhr ist so alt, dass ich keine Belege mehr finden konnte. Nicht auf Amazon, dessen Bestellhistorie bis ins Jahr 1999 zurückreicht, und auch nicht in meinen Emails (durchsucht ab 2009). Nehmen wir mal an, die Uhr ist ca. 2010 gekauft worden.
Zustand: Sie hat sich vor kurzem auf 4 Uhr gestellt, den Sekundenzeiger akurat auf die 8 sortiert, so, dass alle Zeiger im 120° Winkel hübsch aufgeräumt sind. Dann blieb sie stehen und auch mit neuer Batterie passierte tagelang nichts mehr. Kaputt.
Reparatur? Kann man die Uhr reparieren? Das Netz meint, die Uhr hat vermutlich schlechten Empfang. Aber an genau der gleichen Stelle empfing sie etwas 10 Zeitumstellungen lang ihr Signal. Das Uhrwerk ist ein W762, "German Quality", die Uhr von der Marke "eurochron". Die Marke gibt es noch, eine Homepage hat sie aber nicht. Wikipedia kennt sie nicht. Das Patent- und Markenamt hilft weiter: Die Marke wurde 2010 von Conrad Elektronik eingetragen. Es steht also kein gutmütiger Spezial-Hersteller mit Herz und Seele aus Berlin oder dem Schwarzwald dahinter. Kulanzversuch sinnlos.
Neukauf? Eine neue, runde Funkwanduhr kostet laut idealo (eine der besten Produktsuchmaschinen) zwischen 8,90€ (Ok, in pink), 50€ (Marke eurochron), bis zu 100€ (Bahnhofsuhrdesign).
Die günstigste Uhr, die in Frage kommt, kostet ca. 15€ (Marke: TFA). Die Bewertungen auf Amazon sind vernichtend:
"Wir haben von diesen Uhren 50 Stück für unsere Schule angeschafft. Knapp 10 davon gingen gar nicht erst an, 10 haben sich nicht richtig eingestellt und 10 weitere können nach dem Wechsel auf Sommerzeit nicht mehr umgestellt werden. Sprich, über die Hälfte der Uhren können wir jetzt wegschmeißen. Ich rate deutlich davon ab, diese Uhr zu kaufen!"Ok, soll es also lieber eine teurere, langlebigere Uhr sein? Eine Markenuhr, die lange hält und nicht ständig neue Resourcen bei Herstellung und Transport verbraucht? Wo finde ich dieses Wunschprodukt? Was passiert, wenn die Markenuhr im Monat 25 stehen bleibt?
Rechtslage: Ich schreibe aus Deutschland, hier greifen europäische Verbraucherschutzregelungen, die in deutsches Recht umgesetzt wurden. Geht ein in Deutschland gekauftes Produkt in den ersten 6 Monaten kaputt, muss der Händler/Hersteller es reparieren oder austauschen. In Monat 7-24 auch, nur muss ich dann beweisen, dass es ein Herstellungsfehler war und kein Bedienfehler meinerseits. Mit so gut wie allen Firmen ist das in der Praxis kein Problem. Anders nach der Gewährleistungszeit: Ab Monat 25 zucken die Hersteller per höflicher Antwort-Email mit den Achseln. Da ist eine stehende Funkuhr für 15€ genauso nutzlos wie eine für 100€.
Versicherung? Kann ich eine Versicherung kaufen, die im Falle eines Defektes nach 24 Monaten das Produkt ersetzt und so die Garantie verlängert? Ja, das gibt es tatsächlich. Friendsurance bietet das für nur 35,88€/Jahr an. Da kann ich für das gleiche Geld selbst 2 Funkuhren pro Jahr kaufen.
Garantie: Es ist mir nicht gelungen, eine Funkuhr mit einer längeren Garantie zu finden, als der gesetzlich minimal vorgesehenen 24 Monate.
Schlussfolgerung: Als Verbraucher sollte ich also stets das allergünstigste Produkt wählen, welches gerade noch den Job erfüllt und die Design-Mindeststandards gerade noch einhält (bei mir also z.B. kein pinkes Ziffernblatt). Ich kaufe kein Produkt, sondern das Recht 2 Jahre lang eine Funkuhr betreiben zu dürfen. Die TFA-Uhr kostet also ca. 7,50€/Nutzungsjahr. Ich habe sie bestellt.
Was kann man dagegen tun?
Alle Produkte werden immer billiger. Das ist toll. Sie werden aber auch immer schlechter. Das ist schlecht. Es verbraucht Resourcen in der Herstellung, im Transport. Es verbraucht sogar Zeit, sich ständig mit dem Suchen von Produkten zu beschäftigen, weil das alte wieder kaputt ist und nicht mehr hergestellt wird. Der Kapitalismus als System befördert diese Trends. Wie kann man innerhalb dieses Systems nachhaltigere Produkte schaffen? Ãœber Garantien der Hersteller. Und über die Vermarktung der Garantien. Ich stelle mir das so vor: Auf idealo wird für ein ausgewähltes Produkt pro Anbieter der Preis angezeigt. Auf Wunsch ist das Ranking inklusive Versandkosten und berücksichtigt die Verfügbarkeit oder kostenfreie Rücksendung (falls der Artikel doch nicht gefällt oder ... defekt sein sollte). Vorschlag: Wie wäre es, die Herstellergarantiedauer zu berücksichtigen und einen "Garantierten Nutzungshöchstpreis pro Jahr" anzugeben. Eine Funkwanduhr für 50€ mit 10 Jahren Garantie wäre dann auf Platz eins, mit 5€ Jahrespreis vor 7,50€ Jahrespreis von der TFA-Uhr. Der deutsche Pfennigfuchser würde mit der Nase drauf gestoßen - und der Onlineshop sowie sein Vermittler (hier idealo) sogar (zunächst) mehr Umsatz machen.
Beispiel für Suchergebnisse auf idealo.de
Was braucht man dafür
- Eine Produktsuchmaschine, welche die Garantiedauer der Produkte berücksichtigt
- Ich möchte automatisiert wissen, was es kostet ein Produkt 10 Jahre lang zu nutzen und alle Defekte durch Herstellungsfehler oder normalen Gebrauch fraglos repariert oder ersetzt zu bekommen.
- Hersteller, die den Wert ihrer Garantien begreifen und offensiv mit dem Jahrespreis werben.
- Es kann das Produkt auch gerne in verschiedenen Preisen geben: z.B. 15€ für 2 Jahre Garantie oder 40€ für 10 Jahre? Bei Laptops
- Möglicherweise muss der Hersteller sein Produkt auch mit Garantie und Finanzierungsprodukt verkaufen. Warum nicht ein Produkt gleich zu einem Jahrespreis jährlich bezahlen. Klar liegt dieser Jahrespreis dann etwas höher. Aber ob mittellose Verbraucher das Geld ihrer Hausbank als Dispozinsen zahlen, der Kreditkartenfirma abstottern oder in einem leicht erhöhten Kaufpreis unterbringen, ändert an den Kosten letztlich nichts. Im besten Fall verwendet der Verbraucher lediglich ein wertigeres Produkt mit niedrigerem Resourcenverbrauch zu gleichen Kosten.
- Scoring von Marken. Analog zur Bonität von Konsumenten gibt es einen Score für die Verlässlichkeit von Marken. Oder eine Versicherung.
Miele bietet tolle Garantien an, wirbt aber noch nicht mit dem daraus resultierenden "Garantierten maximalen jährlichen Nutzungspreis". Ok, dafür brauchen wir einen knackigeren Namen. Wie wäre es mit "Jahrespreis"?
Referenzen
- Europäisches Verbraucherzentrum Deutschland [https://www.evz.de]
Ignorierst du bei deiner Überlegung nicht a) den zusätzlichen zeitlichen (Ding einpacken, Adresse finden, Formulare ausfüllen, zur Post bringen, Paket mit repariertem Produkt oder Ersatz annehmen) und b) monetären (Rücksendekosten trägt der Käufer bei günstigen Sachen im gesetzlichen Rahmen jetzt schon, außerhalb vermutlich immer?) Aufwand den eine Garantieabwicklung immer verursacht?
ReplyDeleteSchon lohnt es sich nicht mehr wirklich wegen 3 Jahren zusätzlicher Garantie eine 50€-Uhr zu kaufen.
Vielen Dank für den Kommentar! Das Thema Rücksendung muss ich noch berücksichtigen.
ReplyDeleteEs gibt z.B. bei Laptops einen "Home-Service" wo der Techniker kommt - klar bei einer Funkuhr lohnt das nicht.
Ich habe es oft erlebt, das Hersteller mit einem Foto von einem Defekt zufrieden sind und einfach ein Ersatzteil rausschicken. Ok, das mit dem Foto geht bei bei einer stehen gebliebenen Uhr nun auch nicht.
Ah, und dann gibt es noch diese Retoure-Labels, mit denen Hersteller eine kostenlose Retoure ermöglichen.
Für mich gilt ja: wer billig kauft, kauft Scheiß. Wer teuer kauft, kauft vielleicht Scheiß. Ist also ein Geschäft mit Risiko. Risiko finde ich zwar auch scheiße, aber immer noch besser, als Scheiß-Produkte.
ReplyDeleteDie Resourcenverschwendung bei nicht nachhaltigen Produkten hast du ja schon angesprochen, aber mir scheint ja auch, dass viele Leute ihre Lebenszeit mit einem Stundenlohn nahe dem gesetzlichen Minimum vergüten. Wenn ich mich alle zwei Jahre eine Stunde lang mit dem Erwerb einer Küchenuhr beschäftigen muss, dann sind das eben keine 7,50 EUR Jahrespreis mehr, die da bei mir auf der Rechnung stehen.
Ich möchte das Risiko gerne loswerden und gerne auch mehr dafür bezahlen. Das Risiko, dass ein Markenhersteller schlechte Qualität abliefert kann am besten jener Markenhersteller tragen, indem er Garantien bietet, falls er wirklich Qualität bietet. Ein Markenhersteller ohne Garantien taugt in der Praxis (nach meiner Erfahrung) halt auch nicht mehr als ein Billigprodukt. Und genau: Ich möchte mich auch am liebsten weniger mit Produktsuche, -reklamation etc. beschäftigen. Ich gehe davon aus, dass Markenhersteller mit mehrjährigen Garantien tatsächlich Produkte anbieten, die i.d.R. auch ebensoviele Jahre klaglos ihren Dienst tuen.
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